Einstellungspolitik in Unternehmen

Hire for attitude – train for skills 

Seit ich Gespräche mit Bewerbern führe nehme ich mir ausreichend Zeit für jedes einzelne Gespräch, d.h. 2 Stunden, mit einem zusätzlichen Puffer. Mein persönliches Ziel ist nicht einzelne Skills abzufragen, wie es größere Recruitmentlösungen tun. Ich möchte den Menschen hinter der Bewerbung kennenlernen. Es geht mir nicht darum einen Bewerber unter Stress zu setzen oder im Team zu beobachten, das können Assessmentcenter „besser“. Ich versuche eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der man sich eher freundschaftlich über den bisherigen Lebensweg austauscht. Über diesen vertrauensvollen und wertschätzenden Austausch erfahre ich sehr viel über den Menschen, seinen Antrieb, seine Ziele, seine Besonderheiten. Ich erkennt Potenziale und achte darauf, bei welchen Themen die Augen zu funkeln beginnen oder sich das Gesicht verfinstert. 


Wichtiger als der perfekte Lebenslauf ist mir tatsächlich dieses Funkeln in den Augen und das erkennbare Brennen für Themen. Natürlich gibt es den geraden Lebenslauf, Aber sehr interessant sind immer wieder Menschen, bei denen der Lebenslauf holpert und Abzweige nimmt. Diese Menschen haben sich auf neue Situationen einstellen müssen und sich dabei weiter entwickeln müssen. Eine Stärke, die aus meiner Sicht heute mehr denn je gefragt ist. 

Wie hat sich der Kandidat weiterentwickelt? Beharrt er auf Schulungen oder hat er sich im Gegensatz dazu konsequent und eigenständig weitergebildet und weiterentwickelt? Braucht er Motivation und Antrieb von außen oder ist er intrinsisch motiviert und will etwas erreichen, verändern, verbessern, hinterlassen? 
Ich schätze Mitarbeiter, die etwas erreichen und dies auch ausdrücken können. Den offenen Umgang und Austausch fördere ich, berücksichtige gerne die fachliche Expertise meiner Mitarbeiter und fordere deren Meinung immer wieder ein. Gleichermaßen ist es mir wichtig, dass ein zukünftiger Mitarbeiter weiß, dass er alles hinterfragen darf und sogar soll. Nur so kann man sich selbst und nur so kann sich ein Unternehmen verbessern. Ein Potential, was nicht ungenutzt verpuffen darf. 

„Was sind schon die paar Durchgedrehten gegen das Heer der Abgestumpften.“

Kurt Weidemann, Grafikdesigner, Typograf und Autor

Wie kommt es aber dazu, dass man in Unternehmen immer wieder der Meinung ist, man habe für die Zukunft nicht die richtigen Mitarbeiter? Wurden wirklich immer die falschen Mitarbeiter eingestellt? Dann müssen sich die Verantwortlichen allerdings auch fragen, warum sie das augenscheinlich über Jahre getan haben. 

Wer führt in Unternehmen die Einstellungen durch, prüft die Bewerbungen, lädt die Kandidaten ein und führt die Bewerbungsgespräche? 
Welche persönlichen Ziele haben diese Mitarbeiter? “Natürlich das Beste fürs Unternehmen und den Aufgabenbereich!” Ist das immer so? 

„1st class hires 1st class, 2nd class hires 3rd class.“

Gunter Dueck „Schwarmdumm: So blöd sind wir nur gemeinsam“

Bei diesem Sachverhalt wird häufig von erstklassigen, zweitklassigen und drittklassigen Mitarbeitern gesprochen. Ich möchte dies nicht als beleidingend verstanden wissen, zur Erklärung macht es Sinn. 

Häufig verstehen zweitklassige Menschen nicht was erstklassig ist; sie verstehen nicht was außergewöhnlich, genial, kreativ oder großartig ist. Sie haben keine Ahnung von Charisma, Genialität oder dem Vorteil von Querdenkern. Zudem haben sie Bedenken, dass jemand besser sein könnte als sie selbst. Sie bevorzugen bei der Besetzung offener Stellen daher lieber drittklassige Bewerber, die ihnen nicht gefährlich werden können. 
Zweitklassige Mitarbeiter sind schlau und dumm zugleich. Sie sind zu dumm um die erstklassigen zu erkennen und zu schlau diese einzustellen. 

Erstklassige Mitarbeiter fordern erstklassige Bewerber und stellen diese ein.

Im Gegensatz dazu zweitklassigen, die lieber drittklassigen Bewerbern zusagen. Dies musste ich immer wieder beobachten, wenn der Bewerbungsprozess standardmäßig delegiert wurde. Aufgrund dieses Vorgehens findet man nach einiger Zeit viele drittklassige Mitarbeiter im Unternehmen, die bei heutigen Aufgaben wenig unterstützen können.  
Interessant ist, dass drittklassige Mitarbeiter manchmal erstklassige einstellen wollen, weil sie ganz naiv nach guten Bewerbern schauen. Nun könnte man meinen: Ziel erreicht! Das Problem: Erstklassige Kandidaten lassen sich nicht von drittklassigen Mitarbeitern einstellen. Sie wollen unter diesen Bedingungen nicht arbeiten, weil dies unter deren Einfluss nicht ausreichend möglich ist. D.h. Sie verlieren, ohne es zu merken, die besten Bewerber. 

Erstklassige Mitarbeiter erkennen ein Ziel und wollen etwas Geniales verwirklichen. Dann suchen Sie die dafür notwendigen Mittel und Ressourcen. Sie nehmen sich Zeit um kontinuierlich und konsequent an der Zielerreichung zu arbeiten. 

Zweitklassige orientieren sich eher an Marktbegleitern. Sind sie selbst noch besser als der Durschnitt der Branche? Wo stehen die anderen? Haben sie noch Vorsprung oder sind die anderen schon weiter oder besser?  

Die Gefahr für Unternehmen ist, dass es irgendwann dazu kommt, dass zweitklassige die Mehrheit erringen, denn dann setzt sich deren Denken durch. Sie achten nicht mehr auf das Ziel sondern wollen “gut” arbeiten. Die von Gunter Dueck benannte “Schwarmdummheit” setzt ein, da sich das Erstklassige nicht mehr gegen das Zweitklassige durchsetzen kann. 

Früher erstklassige Unternehmen können die Erstklassigkeit dann noch eine Zeit lang vortäuschen und neue Slogans publizieren “Wir stehen für Innovation”, “Wir leben Nachhaltigkeit”, “Wir verstehen unsere Kunden und die Branche und haben die passenden Lösungen”. Die Wahrnehmung der Kunden ist dann meist realistischer und führt dazu, sich am Markt neu umzuschauen.

Hire for attitude – train for skills.

Die besten Bewerber, gerade auch in Führungspositionen, haben natürlich Talent, Charakter, haben Verantwortung übernommen, sind Führer, motivieren die Kollegen und nehmen sie mit, sie drängen diese zum Tun und sind Gewinnertypen. Sie scheuen sich nicht Fehler zu begehen, reflektieren sich aber immer wieder selbst und lernen aus den Fehlern. Sie schätzen und bewundern Leistung, auch die der Marktbegleiter.

Gute Führungskräfte sollen hauptsächlich nach Haltung und Charakter gewählt werden. Was sie später inhaltlich führen oder managen werden sie sich selbständig und aus eigenem Antrieb erschließen. Erfolg ist, wenn Ziele verwirklicht werden. Dafür zeigen gute Führungskräfte Leidenschaft, Feuer, Engagement. Sie sind Querdenker und Unternehmer. 

Manchmal lässt sich das geniale erst viel später erkennen. So ist es leider auch schon vielen Künstlern und Erfindern ergangen…